Solidarität
verbindet
Beitragsbild: Kundgebung Freiheit für die Angeklagten im TKP/ML-Verfahren

Kundgebung
Freiheit für die Angeklagten
im TKP/ML-Verfahren

15.11.2019
17-18 Uhr, Weißer Turm, Nürnberg

Das skandalöse Verfahren gegen zehn Linke aus der Türkei vor dem Münchner Oberlandesgericht (OLG), das bereits im Juni 2016 begann, läuft immer noch. Anklage hat die Bundesanwaltschaft erhoben. Dagegen monieren die VerteidigerInnen, dass der ganze Prozess ein Konstrukt sei und eine übergroße Nähe zur Türkei unter Erdogan aufweise. Fakt ist: Die Bundesrepublik macht sich zum Erfüllungsgehilfen Ankaras, indem sie unliebsame Oppositionelle, die nach Deutschland geflohen sind, hier verfolgt. Dies belegen die rund 250 Ermittlungsakten, die größtenteils von türkischen Verfolgungsbehörden bereitgestellt wurden. Doch Deutschland hat auch ein eigenes Interesse, linke Oppositionelle zu verfolgen.

Vorgeworfen wird den Angeklagten konkret, Mitglieder der „Türkischen Kommunistischen Partei/Marxisten-Leninisten“ (TKP/ML) zu sein. Sie sollen das „Auslandskomitee“ gebildet und sich der „Unterstützung einer ausländischen terroristischen Organisation“ schuldig gemacht haben. Angeklagt sind sie nach §129 b. Die TKP/ML ist eine marxistisch-leninistisch-maostische Partei in der Türkei, die 1972 dort gegründet wurde. In Deutschland ist sie jedoch weder verboten noch steht sie auf der EU-Terrorliste. Trotzdem wurden die GenossInnen im April 2015 verhaftet und mussten eine überlange Zeit in Untersuchungshaft verbringen. Inzwischen sind neun Angeklagte wieder in Freiheit: Mehmet Yeşilçalı, Dr. Sinan Aydin, Dr. Dilay Banu Büyükavci, Sami Solmaz, Musa Demir, Erhan Aktürk, Haydar Bern, Seyit Ali Ugur und Deniz Pektas. Die U-Haft war nicht mehr verhältnismäßig. Der Prozess wird aber fortgesetzt, sie haben Meldeauflagen und pendeln zu den Verhandlungsterminen nach München. In Haft sitzen noch einer: Müslüm Elma. Für ihn ist eine besonders hohe Haftstrafe zu erwarten, weil er als „Rädelsführer“ gilt. Der Prozess ist derzeit bis in den April 2020 geplant.

Schluss mit der Kriminalisierung!

Dass der Staat für diese Neun die U-Haft aufgehoben hat, ist ein Erfolg der Solidaritätsbewegung. Zahllose Kundgebungen und eine unermüdliche Aufklärung der Öffentlichkeit über das Skandalverfahren haben dies erreicht. Doch es ist längst überfällig, ein Ende der Untersuchungshaft auch für Müslüm Elma zu erkämpfen! Die Betroffenen wurden bereits vor viereinhalb Jahren festgenommen! Hintergrund: Ihnen werden in Deutschland keine strafbaren Handlungen zur Last gelegt. Sie sollen nur ganz normale Vereinstätigkeiten durchgeführt haben, etwa Spendensammlungen oder Organisation von Veranstaltungen. Hier steht also eine politische Haltung vor Gericht.

Ähnlich wie in der Türkei wird auch in Deutschland unter dem Begriff des „Terrorismus“ die Opposition bekämpft. Grundlage dafür sind die so genannten „Antiterrorparagraphen“ § 129 a und b. Politisch sind sie grundsätzlich zu kritisieren, weil es sich um Gummi-Gesinnungsparagrafen handelt. Die Repressionsorgane müssen keine individuelle Tat mehr nachweisen und können Menschen einfach wegen Unterstützung oder Mitgliedschaft in einer Gruppierung anklagen, die sie als „terroristisch“ einstufen. Beim § 129 b, also wenn es um „ausländische terroristische Vereinigungen“ geht, kommt verschärfend hinzu, dass die Bundesregierung bestimmt, wer nun „Terrorist“ und wer Freiheitskämpfer ist. Der Bundesinnenminister persönlich ordnet die Verfolgung der Betroffenen an, so auch hier.

Der Prozess ist eine Farce und muss eingestellt werden!

Der Staat versucht im Münchner Prozess, einen Präzedenzfall zu schaffen, ein Pilotverfahren, um künftig weitere emanzipatorische Organisationen angreifen zu können. Wie so oft attackiert der Staat dabei zunächst eine migrantisch geprägte Gruppe als Testlauf. Stichwort: abschreckendes Urteil als Außenwirkung. Die Herrschenden wollen die türkischen GenossInnen hinter Gittern sehen und pfeifen dabei auf ihre eigenen Gesetze. Dies zeigt sich daran, dass Fahrzeuge und Wohnungen per Video überwacht wurden und die Ergebnisse bedenkenlos im Prozess benutzt werden. Die Anklage stützt sich stark auf Aussagen der türkischen Behörden. Offenbar hat der türkische Geheimdienst MIT illegal in Deutschland spioniert. Die Informationen wurden von Ömer Köse, dem Ex-Chef der Istanbuler Terrorabwehr, nach Deutschland geleitet. Er sitzt inzwischen selbst im Knast. Weitere „Highlights“ waren grotesk falsche Übersetzungen aus dem Türkischen und Verteidigerpost, die von einem Kontrollrichter gelesen wurde. Die Bayerische Justiz schickte sogar sensible Verteidigerpost zum Übersetzen in die Türkei. Ein Gefangener, der durch seine Haft in der Türkei schwer traumatisiert war, wurde von Wächtern misshandelt, drei andere waren kurzzeitig erneut inhaftiert, weil sie gegen die Meldeauflagen ihrer Freilassung verstoßen haben sollen. Dies war jedoch nicht haltbar, sie kamen wieder frei. Oft genug erhielt der türkische Staat Zugriffsmöglichkeiten auf seine Feinde. Grund genug, endlich Schluss zu machen mit dieser Prozess-Farce gegen Menschen, die absolut nichts verbrochen haben. Grund genug, die unsäglichen Paragraphen 129 a/b endlich abzuschaffen!

Wer sind wir?

Das Bündnis „Freiheit für ATIK“ ist ein Zusammenschluss politischer Gruppen, Parteien und Organisationen aus Nürnberg. Wie die zehn Angeklagten kämpfen wir für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung, für Frieden und Freiheit! Wir lassen uns nicht spalten! Schluss mit der Kriminalisierung linker AktivistInnen! Abschaffung der Paragrafen 129, 129 a und b!

Bündnis „Freiheit für ATIK

Werde Mitglied
und unterstütze
unsere Arbeit!
Beratungstermine
der Rote Hilfe
Ortsgruppen
KontaktBeratungEnglishDayanışma
Rote Hilfe e.V.